Wirtschaft braucht Klimaschutz, Transparenz und Dialog – Rottmann widerspricht Seifert

Die Klimaerhitzung bedroht die Existenzgrundlagen der Menschheit. Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen. Auch die Wirtschaft. Das war vor über zehn Jahren meine Überzeugung. Das ist sie auch heute. Der überwiegende Teil der Unternehmen hat sich längst auf den Weg gemacht und war auch 2011 schon im guten Austausch mit der Stadt Frankfurt über Möglichkeiten, Treibhausgase zu reduzieren und dabei wirtschaftlich zu bleiben. Die meisten Unternehmen der Chemieindustrie in Frankfurt hatten seit dem Störfall im Griesheimer Werk der Hoechst AG im Jahr 1993 auch verstanden, dass in einem dichtbesiedelten Ballungsraum Transparenz über den Werkszaun hinaus und die frühzeitige Einbindung der Nachbarschaft unerlässlich ist. Der Gesprächskreis der Nachbarn des Industrieparks Höchst war und ist in dieser Hinsicht vorbildlich. 

Als die damalige Geschäftsführung der AllessaChemie den Antrag stellte, Gasfeuerungsanlagen durch Anlagen zu ersetzen, die mit Braunkohlestaub befeuert werden, wurde die Öffentlichkeit von dem Unternehmen darüber nicht informiert. Die Stadt Frankfurt erhielt davon nur Kenntnis, weil das Regierungspräsidium Darmstadt als zuständige Genehmigungsbehörde das Planungs- und das Umweltamt zur Stellungnahme aufforderte. Das Energiereferat versuchte auf meine Bitte hin umgehend, mit der Geschäftsführung der AllessaChemie Gespräche über mögliche wirtschaftliche Alternativen zu führen. Dies wurde von dem Unternehmen abgelehnt. 

Auch meine Bitte, dass die Geschäftsführung von sich aus die Bürgerinnen und Bürger über ihr Vorhaben informieren möge, wurde abgelehnt. Die Genehmigung selbst sollte vielmehr in einem vereinfachten Verfahren erteilt werden, in dem keinerlei Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehen war, weder der Bevölkerung in Fechenheim noch der Umweltverbände. 

Unbestritten ist, dass das Braunkohlekraftwerk zu mehr Treibhausgasemissionen bei gleicher Leistung und zu höheren Emissionen anderer Schadstoffe führt und somit Auswirkungen auf Umwelt und Nachbarschaft jenseits der Werkstore hat. Ob das Vorhaben rechtmäßig ist oder nicht, konnten nur Gerichte überprüfen. Mit der Zulassung der Berufung hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof anerkannt, dass diese Frage durchaus streitig beurteilt werden kann. Er hat auch ausdrücklich anerkannt, dass der Bund für Umwelt und Naturschutz ein Klagerecht gegen die Genehmigung hatte. Ohne Kenntnis von dem Vorhaben hätte der Bund für Umwelt und Naturschutz allerdings nie von diesem Recht Gebrauch machen können. Das ist in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar. Der damalige Regierungspräsident hat zudem ein Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Akteneinsicht anerkannt. Auch dieses Recht wäre jedoch ins Leere gelaufen, wenn über das Vorhaben überhaupt nicht informiert worden wäre.

Es wäre der Frankfurter Bevölkerung auch nicht vermittelbar gewesen, wenn die Umweltdezernentin auf der einen Seite die Zufahrt zur Stadt mit der Umweltzone beschränkt, um die gesundheitsschädlichen Stickoxidemissionen zu senken, und gleichzeitig ein neues Kraftwerk verschweigt, das die Stickoxidemissionen erhöht. Ebenso wenig wäre es glaubwürdig, der Bevölkerung die Dringlichkeit des Klimaschutzes zu erklären und gleichzeitig die Erhöhung der Treibhausgasemissionen durch ein neues Braunkohlestaubkraftwerk zu verschweigen. 

Ich stehe bis heute zu der Entscheidung, die mir zugänglichen Informationen über das Vorhaben selbst öffentlich gemacht zu haben, nachdem AllessaChemie und das Regierungspräsidium eine eigene Information der Bürgerinnen und Bürger abgelehnt haben. Das war für mich eine Gewissensfrage. Wenn Herr Seifert es für unzumutbar hält, dass er ein solches Vorhaben öffentlich erläutern und rechtfertigen muss und dass Verbände dagegen den Rechtsweg beschreiten, hat er ein anderes Verständnis von demokratischer Öffentlichkeit und Rechtsstaat als ich. Die neue Eigentümerin der AllessaChemie Weylchem hatte immerhin insoweit ihre Geschäftspolitik geändert und informierte die Bevölkerung in Griesheim vor Antragstellung über ein vergleichbares Vorhaben. Der Bau eines Braunkohlestaubkraftwerks auch in Griesheim mit einer Investitionssumme von 6 Mio Euro konnte allerdings die Aufgabe dieses Chemiestandorts nur drei Jahre später nicht abwenden. 

Einen weiteren Punkt will ich hier klarstellen: Ich wusste bereits wenige Tage vor der Kommunalwahl im März 2011, dass sich das Vorhaben in Fechenheim konkretisiert und die Genehmigung voraussichtlich erteilt werden würde. Ich habe mit meinem Gang an die Öffentlichkeit bewusst gewartet, bis die Kommunalwahl vorbei war. Denn die zu wählende Stadtverordnetenversammlung hatte in diesem Verfahren keine Einflussmöglichkeiten. Auch für diese Veröffentlichung außerhalb des Kommunalwahlkampfes wurde ich damals scharf – von anderer Seite – kritisiert. Auch zu dieser Entscheidung stehe ich.

AllessaChemie war in den Jahren 2008/09 in schwerem Fahrwasser, der Standort Offenbach wurde in der Folge aufgegeben. Dass das Unternehmen einen hohen Energiebedarf hat, war immer unbestritten. Braunkohlestaub hat aber ökologisch deutlich höhere Kosten als andere Brennstoffe. Dies bildet sich normalerweise auch in den Kosten der Unternehmen ab, weil Kraftwerke ab 20 MW in den Europäischen Emissionshandel einbezogen sind und dafür Emissionszertifikate gekauft werden müssen. Diese Kosten wurden durch Allessa umgangen, indem zwei Anlagenbestandteile errichtet und jeweils auf knapp unter 20 MW herunter geregelt wurden. Ob dies mit dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes vereinbar ist, ist aus meiner Sicht immer noch zweifelhaft, kann aber in einem Genehmigungsverfahren nicht überprüft werden. Fakt ist, dass der wirtschaftliche Vorteil darauf beruhte, dass die ökologischen Kosten für die Nutzung von Braunkohlestaub nicht annähernd gezahlt werden. Das ist nicht zukunftsfähig. 

Der Braunkohleabbau im Rheinischen Revier wird 2030 beendet. Die Energieversorgung am Standort Fechenheim dürfte damit erneut auf der Tagesordnung stehen. Mit den von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eingeführten Carbon Contracts for difference haben wir heute ein Förderinstrument für die Investitionen energieintensiver Unternehmen in klimafreundliche Technologien. Wer der Chemie in Fechenheim eine Zukunft geben will, findet mich immer an seiner Seite, um dafür wirtschaftliche und zukunftsfähige Lösungen zu finden. 

Karl-Gerhard Seifert, früherer Eigentümer der AllessaChemie, erhebt in mehreren Veröffentlichungen gegen mich Vorwürfe, die unbelegt und unzutreffend sind und stellt Behauptungen auf, die teilweise wenigstens am Rande der Strafbarkeit liegen. Die Auseinandersetzung im Jahr 2011 wurde mit ähnlich harten Bandagen von Seiten der damaligen Geschäftsführung der AllessaChemie und dem Anlagenbauer GETEC geführt. In einer Demokratie kann man unterschiedliche Auffassungen austauschen, auch streitig. Aber wer andere ohne jeden Beleg der Lüge und der Volksverhetzung bezichtigt, richtet sich damit selbst. Niemand sollte sich Hoffnungen machen, dass mich solche Methoden einschüchtern. Das hat weder 2011 funktioniert. Noch wird es 2023 erfolgreich sein.    

Details zu dem Verfahren um das Braunkohlestaubkraftwerk Fechenheim finden sich auch im Magistratsbericht B 263 aus dem Jahr vom 27.05.2011, hier zur Ansicht und zum Download.

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